Reisestipendium

Junge Planer*innen „packen an“: „Hands-on“-Projekt in Thailand

Nachhaltiges Planen und Bauen mit regionalen Materialien und unter Anwendung tradierten Wissens – diese Themenschwerpunkte stehen im Vordergrund des neuen Formats „Hands on“ der Stiftung Deutscher Architekten (SDA). Das erste „Hands on“-Projekt der SDA wird sich Anfang Januar 2024 mit dem Bau von Schulklassen in Mae Sot (Thailand) befassen. Etwa 15 junge Planerinnen und Planer werden Teil des Projektes sein. – Am 5. Juli zeigten sich im Rahmen eines Kick-Off-Meetings 86 junge Nachwuchskräfte grundsätzlich an einer Teilnahme interessiert.

14.07.2023

Projekt von „Simple Architecture“ in Thailand.
© Simple Architecture

„Es wird ein Projekt sein, das vor Ort entsteht – gemeinsam mit Ihnen“, erklärte Markus Lehrmann, Geschäftsführer der Stiftung Deutscher Architekten, im Rahmen der Auftaktveranstaltung, die als digitales Informationsformat durchgeführt wurde. Der Gelsenkirchener Architekt Jan Glasmeier (Büro „Simple Architecture“) werde das Projekt begleiten, erläuterte Lehrmann.

Die Projekt-Details

Vom 11.01. bis zum 24.02.2024 bietet die Stiftung Deutscher Architekten einer ausgewählten Gruppe von jungen Planer*innen die Möglichkeit, Klassenräume in Mae Sot zu planen und zu realisieren. In Zusammenarbeit mit Jan Glasmeier und einheimischen Arbeitern soll das Vorhaben innerhalb von sechs Wochen vollständig realisiert werden. Die Teilnehmer sollen neben der Planung des Projektes auch in die Umsetzung und den Bau eingebunden werden. Das Projekt wird von Mitarbeiter*innen der Geschäftsstelle der Architektenkammer NRW begleitet.

„Dies wird ein größeres Projekt“, erklärte Jan Glasmeier den jungen Planerinnen und Planern. Er selbst habe schon zahlreiche Bauprojekte in Thailand unterstützt, darunter auch Schulbauprojekte. Voraussichtlich werden die Projektteilnehmer gleich mehrere Klassenzimmer während der Projektzeit planen und bauen können. „Vieles wird sich spontan vor Ort entscheiden und entwickeln“, sagte der Architekt und ergänzte: „Auf diese Spontanität freue ich mich sehr!“ Das Projekt biete die Chance, traditionelle Bauweisen und Baustoffe der Region wie Lehm oder Holz in der konkreten Anwendung zu erproben.

Bei der Informationsveranstaltung wurden auch organisatorische Eckdaten bekannt gegeben, die sukzessiv hier auf der Website einzusehen sein werden. Die jungen Planerinnen und Planer nutzten den Infoabend, um vielfältige Fragen zum Projekt zu stellen, etwa nach den Transportwegen der verwendeten Baustoffe oder ob die Realisierung von multifunktionalen Klassenräumen möglich sei.

„Uns eint die Überzeugung des Projektes“, resümierte SDA-Geschäftsführer und AKNW-Hauptgeschäftsführer Markus Lehrmann zum Abschluss der Informationsveranstaltung. „Wir freuen uns nun auf zahlreiche Bewerbungen!“

Bei Interesse schicken Sie Ihre Bewerbung, einen Studiennachweis und ein Motivationsschreiben bis zum 14. August 2023 an hands-on@aknw.de.

 www.simplearchitecture.net

Mit dem „Hands on“-Projekt fördert die Stiftung Deutscher Architekten Juniorarchitekt*innen sowie Absolventinnen und Absolventen der Fachrichtungen Architektur, Innenarchitektur, Landschaftsarchitektur und Stadtplanung, die mit einer kostengünstigen Eigenbeteiligung (250 Euro) an dem Reisestipendium teilnehmen können. Bewerben kann sich, wer ein kammerfähiges Studium erfolgreich absolviert hat oder dies in Kürze abschließt. Im Falle eines Studiums der genannten Fachrichtungen an einer Hochschule in einem anderen Bundesland berechtigt auch ein Wohnsitz in NRW zur Teilnahme. 

Bei Fragen wenden Sie sich an: Sanaz Kashi (Tel. 0211 – 4967821) oder Vera Lappeneit (Tel. 0211 – 496742) oder per E-Mail an hands-on@aknw.de. Die Teilnahme an der Informationsveranstaltung am 05.07.23 stellt keine Voraussetzung für die Einreichung einer Bewerbung dar.

ÜBER UNS

Begeisterndes für den BerufsnachWuchs

Internationale Fachexkursion, Förderpreise, Forschungsförderung und Stipendien: Die Gremien der Stiftung Deutscher Architekten (SDA) beschlossen auf ihrer Sitzung am 16. Mai im Baukunstarchiv NRW eine ganze Reihe attraktiver Projekte, mit denen der Berufsnachwuchs motiviert und gefördert werden soll.

01.06.2023

„Der Austausch mit jungen Kolleginnen und Kollegen wird immer lebendiger und fruchtbarer“, zeigte sich Ernst Uhing, Vorsitzender des Vorstands der Stiftung Deutscher Architekten, in seiner Begrüßung überzeugt. Die Einführung der Junior-Mitgliedschaft in der Architektenkammer NRW sowie die „Sag JA* – Junge Planer“-Kampagne der Kammer trage dazu ebenso bei wie die vielfältigen Aktivitäten der Stiftung Deutscher Architekten. Der SDA-Vorstand tagte am 16.05.23 in Dortmund gemeinsam mit dem Kuratorium der Stiftung. Beide Gremien diskutierten die jüngsten Veranstaltungen und beschlossen neue Projekte für die kommenden Monate.

Stipendium: Karl Ganser und die IBA Emscher Park

Im Bereich der Förderung von Wissenschaft und Forschungsnachwuchs arbeitet Dr. Anna Kluge als Stipendiatin der SDA an ihrer Habilitationsschrift zum Thema „Karl Ganser und die IBA Emscher Park“. Anna Kloke gab einen Zwischenbericht über ihren Forschungsstand über das Wirken von Karl Ganser, dem Geschäftsführer der IBA Emscher Park (Kernlaufzeit: 1989 – 1999).

Als Vorsitzender der Stiftung dankte Ernst Uhing der Stipendiatin Dr. Anna Kloke für den Zwischenbericht zu ihrer Forschung „IBA – Karl Ganser“. – Foto: Christof Rose/Architektenkammer NRW

Dr. Kloke stellte insbesondere ein neues Buch über Karl Ganser vor, das sie anlässlich einer Fachtagung im Baukunstarchiv NRW mit Heiner Monheim und Uli Paetzel herausgegeben hatte. Deutlich würde in den zehn Fachbeiträgen des Buches, dass Karl Ganser schon sehr früh in seinem beruflichen Wirken über Strukturen und Weiterentwicklung von Planungsprozessen nachgedacht habe. „Das Planen der Planung hat Ganser in besonderer Weise ausgezeichnet“, so Dr. Kloke. Kennzeichnend für sein Wirken sei ein „perspektivischer Inkrementalismus“ gewesen: ein Ansatz, der ermöglicht habe, Projekte zu erproben und erst im Prozess das zugehörige Regelwerk zu entwickeln. Interessant sei auch, dass Ganser sich zeitlebens für einen aktiven Naturschutz eingesetzt habe. „Wichtig war mir, nicht nur zurückzublicken, sondern auch Perspektiven aufzuzeigen, die sich aus der Arbeit Gansers bis heute ergeben“, betonte Dr. Kloke. So sei vielen nicht bekannt, dass Karl Ganser noch bei der Entwicklung der „Kulturhauptstadt Ruhr“ maßgeblich involviert war. Auch die Bezüge zwischen IBA Emscher Park und IGA Ruhr 2027 wurden herausgearbeitet.

Internationaler Workshop

Vorstandsmitglied Prof. Rolf-Egon Westerheide blickte zurück auf den Workshop, den die SDA im Spätsommer 2022 auf der venezianischen Insel San Servolo durchgeführt hatte. Die junge Planergruppe habe vor Ort sehr intensiv gearbeitet. „Die unterschiedlichen Begabungen der Studierenden kamen dabei gut heraus. Es fand ein intensiver Austausch statt“, berichtete Westerheide, der die Gruppe als Dozent begleitet hatte.

Vorstand und Kuratorium bestätigten die positive Einschätzung, auch auf Grundlage von Rückmeldungen aus der Teilnehmerschaft. Es wurde beschlossen, einen weiteren Workshop in Venedig durchzuführen; ergänzend wurde angeregt, dann einen Austausch mit italienischen Studierenden anzustreben.

Förderpreise 2023/25

Die Verleihung des Förderpreises 2023 im Februar im Baukunstarchiv NRW wurde als lebendiges und inspirierendes Ereignis gewertet. Sarah Escher, Vorsitzende des Kuratoriums, formulierte als Ziel, die Zahl der Kandidatinnen und Kandidaten noch zu erhöhen. „Der Preis hat eine große Strahlkraft und Motivationskraft, sodass noch mehr davon profitieren könnten“, meinte Escher. Der Förderpreis soll fortgeführt werden. Nächste Ausschreibung wird der „Förderpreis 2025“.

bAUKUNSTARCHIV nrw

Die Stiftung Deutscher Architekten ist einer der wichtigsten Gesellschafter des Baukunstarchivs NRW. Markus Lehrmann, Geschäftsführer des Archivs und der Stiftung, präsentierte einen Überblick über die jüngsten Aktivitäten des Baukunstarchivs NRW. „Wir werden in diesem Jahr mehr als 100 Veranstaltungen hier im Hause haben“, stellte Lehrmann fest. Auch die Zahl der in das Archiv aufgenommenen Nachlässe steige kontinuierlich an: Im Schnitt würden sieben bis zwölf Nachlässe im Jahr in die Sammlung integriert. Zudem gelinge es regelmäßig, für Ausstellungsprojekte Drittmittel zu akquirieren. „Es ist eine große Leistung, dieses Haus innerhalb weniger Jahre zu einer weithin bekannten Institution auf- und auszubauen“, lobte Vorstandsmitglied Ina Bimberg unter einhelliger Zustimmung von Vorstand und Kuratorium.

neues „Hands-on“-Projekt: Mae Sot in Thailand


Auf Vorschlag der Vorsitzenden des Kuratoriums, Architektin Sarah Escher, beschlossen die Stiftungsgremien die Durchführung eines Entwicklungshilfeprojektes, das zugleich jungen Planerinnen und Planern Erfahrungen in der internationalen Kooperation und im Bereich des vernakulären Architekturschaffens geben soll. Anknüpfungspunkt ist ein Projekt des Architekten Jan Glasmeier in Mae Sot in Thailand, wo unter dem Label „simple architecture“ mit lokalen Kräften und heimischen Baustoffen Schulräume errichtet wurden. Angedacht ist eine Projektphase vor Ort von sechs Wochen, um einen Schulraum vollständig realisieren zu können und intensiv gemeinsam zu arbeiten. „Wir wollen den jungen Kolleginnen und Kollegen bei ihrer fachlichen Ausbildung, aber auch in der Persönlichkeitsbildung unterstützen“, erklärte der Vorsitzende der Stiftung Deutscher Architekten, Ernst Uhing.

FÖRDERPREIS

Interview: „Ohne Ende Anfang“

Die beiden RWTH-Absolventinnen Katja Gadziak und Eva Krings wurden im Jahr 2023 mit dem Förderpreis der Stiftung Deutscher Architekten ausgezeichnet. Ihre Arbeit befasste sich mit der Transformation der Zeilenbausiedlung in Eisenhüttenstadt. Im Interview erzählen sie von ihrem Entwurf, ihrer Zusammenarbeit und ihren beruflichen Zielen.

17.05.2023

Förderpreisträgerinnen Eva Krings und Katja Gadziak (v. l.).
© Christof Rose/Architektenkammer NRW

Frage: In Ihrer Arbeit befassen Sie sich mit dem Thema der Schrumpfung am Beispiel des ehemaligen Prestigestandortes der DDR, Eisenhüttenstadt. Warum diese Themenwahl?

Eva Krings: Eisenhüttenstadt wurde vor rund 70 Jahren als ‚erste sozialistische Stadt Deutschlands‘ gegründet und war nicht nur ein Prestigeobjekt der DDR, sondern ebenfalls ein bedeutender Industriestandort. Heute ist die Stadt von Leer-stand und Perspektivlosigkeit geprägt. Die Bevölkerungszahl ging von 53 000 Einwohner*innen auf 25 000 zurück. Durch den dramatischen Wandel musste sich Eisenhüttenstadt in der Vergangenheit immer wieder neu erfinden. Diese ständige Transformation hat unser Interesse geweckt – wie kann die Zukunft einer scheinbar abgeschriebenen Stadt aussehen?

In vorherigen Studienprojekten haben wir uns oftmals mit Räumen auseinandergesetzt, die eine weitere Nachverdichtung verlangen. Auch wenn die Problematik der Schrumpfung Mitte der 2010er im Fachdiskurs deutlich präsenter war, als sie es heute ist, existiert dieses Phänomen nach wie vor. Bei vorherrschender Wohnungsnot in städtischen Räumen scheint der immense Leerstand in einigen ländlichen Räumen paradox. Dieser Problemstellung wollten wir nachgehen, sie verstehen und uns der neuen Herausforderung stellen.

Die Arbeit hat das Ziel, die Treibkraft und Einzigartigkeit Eisenhüttenstadts herauszustellen und in eine räumliche Strategie zu übertragen. Örtliche Ressourcen bieten das Potenzial, die Krise als Chance zu verstehen – nur so gelingt. Ohne Ende Anfang.

Konnten Sie bei Ihrer Analyse auch Ableitungen für andere Standorte mit ähnlicher Problematik erkennen?

Katja Gadziak: Die Zielsetzungen und allgemeinen Handlungsfelder des regionalen und gesamtstädtischen Konzepts sind im Grundsatz sicherlich übertragbar auf andere schrumpfende Städte, wenn auch der Ortsbezug in den Lösungsansätzen von hoher Bedeutung ist. In einem Punkt ähneln die Städte sich meistens – ihnen fehlt es an wirtschaftlicher Treibkraft, guter Anbindung oder Attraktivität. Neue Impulse auf unterschiedlichen Maßstabsebenen sind zu setzen, um einen tatsächlichen Fortschritt zu erzielen.

Bezogen auf Zeilenbausiedlungen im Allgemeinen könnten ebenfalls einige räumliche und strategische Maßnahmen übertragen werden. Hier wurden Themen wie die Umstrukturierung der Infrastrukturen im Quartier oder der Umbau einzelner Plattenbauten fokussiert. So erhalten die betroffenen Siedlungen nicht nur ein neues Gesicht, sondern werden auch in ihrer Funktionalität und Attraktivität gestärkt.

Der räumlich konkrete Ansatz der Abschlussarbeit leitet sich jedoch aus der Einzigartigkeit der Stadtstruktur Eisenhüttenstadts ab. Die beeindruckende Geschichte des Ortes brachte unterschiedliche Stadtraumtypen hervor, welche im räumlich konkreten Entwurf wieder aufgegriffen werden. Während sich in Eisenhüttenstadt die entworfene Typologie des Hütten-Blocks sehr natürlich in seine bauliche Umgebung einfügt, würde diese Struktur in anderen Zeilenbausiedlungen fehl am Platz wirken. Aus diesem Grund ist eine Verallgemeinerung der Problematik mit Vorsicht zu betrachten, da viele Städte ähnlich und doch so unterschiedlich sind.

Die Jury hat bei Ihnen beiden in der städtebaulichen Analyse, sozialräumlichen Kenntnis, Behutsamkeit und im fachlichen Geschick, das vorhandene Stadtgefüge fortzuentwickeln, ein besonderes Talent erkannt. Waren Sie sich immer einig in der Bearbeitung des Themas?

Katja Gadziak: Vor, während und nach der Bearbeitung haben wir selbstverständlich viel über die Ziele und Lösungsansätze der Arbeit diskutiert. Da wir aber eine ähnliche Ausbildung an der RWTH Aachen erfahren haben und bereits seit Beginn unseres Masterstudiums einige Studienprojekte gemeinsam bearbeitet hatten, sind wir – nach einem engen Aus-tausch – oft auf denselben Nenner gekommen. Wir haben den Diskurs untereinander sehr geschätzt, und die intensive Zusammenarbeit hat die Arbeit inhaltlich bereichert. Unsere persönlichen Stärken konnten wir einbringen sowie gegenseitig ergänzen – nur der ständige Austausch ermöglichte uns eine derart tiefe Durchdringung des Themas.

Welche Pläne haben Sie für Ihren weiteren beruflichen Werdegang? Möchten Sie im Bereich der Stadtplanung weiterarbeiten, oder sehen Sie Ihre Zukunft in einem anderen Bereich?

Eva Krings: Für uns stand früh fest, dass wir unsere berufliche Zukunft im Bereich der Stadtplanung sehen. Wir beide beginnen im April mit dem städtebaulichen Referendariat – Katja in der Bezirksregierung Münster und ich in der Bezirksregierung Köln. Auch durch „Ohne Ende Anfang“ und den Austausch mit den Akteur*innen in Eisenhüttenstadt ist es uns ein Anliegen geworden, die Prozesse auf städtischer Seite besser zu durchdringen. Wir verstehen das Referendariat als große Chance, unseren fachlichen Horizont zu erweitern und einen ressortübergreifenden Einblick zu erhalten. Dem-entsprechend freuen wir uns auf zwei spannende, lehrreiche Jahre!

Interview: Vera Anton-Lappeneit

Ohne Ende Anfang - Zur Transformation der Zeilenbausiedlung in Eisenhüttenstadt
Ohne Ende Anfang – Zur Transformation der Zeilenbausiedlung in Eisenhüttenstadt

FÖRDERPREIS

Interview: „Hommage di Marmi“ in Carrara

Architektur-Absolventin Susanne Hugenberg wurde 2023 als besonders talentierte Nachwuchsplanerin mit dem Förderpreis der Stiftung Deutscher Architekten ausgezeichnet. Sie wurde von Prof. Manuel Thesing (msa Münster) für den Förderpreis vorgeschlagten und erarbeitete eine „Hommage di Marmi / Cava di Marmi – Ein Kulturort inmitten der Marmorberge“.

22.03.2023

Steinbruch als begehbare Großskulptur: „Hommage di Marmi“.
© Rendering: Susanne Hugenberg

Frage: Ihre Arbeit befasst sich mit neuen Nutzungsmöglichkeiten für den Steinbruch Cava di Belgia in der Region Carrara in Italien. Was hat Sie dazu gebracht, sich mit diesem ungewöhnlichen Thema im Fachgebiet Renovation/Denkmalpflege zu befassen?

Die Faszination für das Material in den letzten Jahren sowie eine Reise durch Italien und vor allem nach Carrara haben mich in meiner anfänglichen Idee, mich mit dem Thema auseinander zu setzen, noch mehr gestärkt. Im Anschluss an die Reise hat mich dieses Thema in all seiner Ehrwürdigkeit nicht mehr losgelassen.

Was ist für Sie das Besondere am Werkstoff Marmor?

Marmor beeinflusst und begeistert nicht nur als Material seit Jahrhunderten die Architektur und die Kunst, es birgt auch geologisch und geschichtlich betrachtet unsere Historie in sich. Ablesbar in den unzähligen Adern und Schichten des Marmors selbst, ablesbar an den historischen Gebäuden, von der Antike an, und ablesbar an den Marmorbrüchen und offenen Stellen des Berges, die selbst architektonische und skulpturale Formen annehmen.

Was hat Sie an dem Ort fasziniert?

Die Ambivalenz zwischen Zerstörung und Schönheit der Landschaft könnte an diesem Ort nicht größer sein. Das über Jahrtausende entstandene Gebirge geht durch die Nutzung als Steinbruch langsam verloren; gleichzeitig entstehen gerade durch diesen Abbau hier besondere Orte, Hybride aus Landschaft und Architektur.
Der Entwurf ist Marmor gewidmet in einem Gebiet, in dem es das größte, reinste und auch bekannteste Vorkommen an Marmor überhaupt gibt. Es sollte ein Ort entstehen, der die Besonderheiten des Marmors an seinem Ursprungsort zeigt, sie spürbar macht und damit zu einer Wertschätzung des kostbaren Materials beiträgt.

Die Jury hat Ihnen ein besonderes Talent und einen herausragenden Entwurf bestätigt. Wo sehen Sie selbst Ihre Stärken?

Ich arbeite besonders gerne am Entwurf, von der Ideenfindung bis hin zur Gestaltung und Ausarbeitung. Die Beschäftigung mit dem Raum, seiner Wirkung und der Atmosphäre stehen dabei im Fokus. Die Betrachtung bis hin ins Detail sind dabei ausschlaggebend. Meine Zielstrebigkeit lässt mich dabei auch auf spannende Herausforderungen stoßen, doch diese motivieren mich, passende Lösungswege zu finden; um mich, und auch den Entwurf, weiter zu entwickeln, bis die von mir angestrebte Empfindung spürbar ist.

Welche Pläne haben Sie für Ihren weiteren beruflichen Werdegang? Möchten Sie ein eigenes Architekturbüro gründen, oder sehen Sie Ihre Zukunft in einem anderen Bereich?

Meine Zukunft sehe ich ganz klar weiter in der Architektur. Ob es ein eigenes Architekturbüro sein muss, weiß ich noch nicht. Momentan konzentriere ich mich darauf, Erfahrungen in der Praxis zu sammeln und meine Kenntnisse weiter auszubauen. Durch eine Tutorenstelle habe ich auch Spaß an der Lehre gefunden. Der Austausch mit den Studierenden, neue Ideen und Ansätze, von denen man selbst auch viel mitnehmen kann, reizen mich dabei sehr. Diesen Weg will ich auch weiterhin gerne parallel verfolgen.

Interview: Vera Anton-Lappeneit

Susanne Hugenberg schloss 2022 ihr Studium an der msa – münster school of architecture mit dem Master of Arts ab. Auf der Preisverleihung im Baukunstarchiv NRW berichtete sie anschaulich von ihren Exkursionen in die Steinbrüche bei Carrara. – Foto: Christof Rose/AKNW

Stipendien

Stipendiatin Anna Kloke referiert über Karl Ganser und die IBA

Im Baukunstarchiv NRW findet am 21. April 2023 ein Symposium zu Karl Ganser und der der IBA Emscher Park statt. Unter den Referent*innen ist auch Dr. Anna Kloke, Stipendiatin der Stiftung Deutscher Architekten, die von ihrer Forschung berichtet.

16.03.2023

Karl Ganser (1937 – 2022) prägte als Abteilungsleiter im NRW-Ministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr sowie als Geschäftsführer der Internationalen Bauausstellung Emscher Park (1989 – 1999) entschieden die Stadt- und Regionalentwicklung Nordrhein-Westfalens. Sein Nachlass wird im Baukunstarchiv NRW verwahrt und steht dort zu Forschungszwecken zur Verfügung.

Dr. Anna Kloke ist seit 2015 an der TU Dortmund tätig und erforscht derzeit mit Unterstützung der Stiftung Deutscher Architekten die IBA auf Grundlage des Ganser-Nachlasses.

Auf dem Symposium im Baukunstarchiv, das anlässlich des ersten Todestages von Karl Ganser stattfindet, stellt Dr. Kloke den Stand ihrer Forschung vor. Zu den weiteren Referent*innen gehören Weggefährtinnen und -gefährten sowie Vertreter*innen aus den Bereichen Stadtentwicklung, Kultur, Ökologie, Politik und Verwaltung. Alle Redner beleuchten das Wirken Karl Gansers und sprechen auch über künftige Fördermaßnahmen im Emscher-Lippe-Raum.

21.04.23, 10.00 – 17.30 Uhr. Weitere Info und Anmeldung unter www.baukunstarchiv.nrw

Förderpreis 2023

Lösungsansätze für die globalen Klimafolgen

Den Nachwuchs zu motivieren, zu inspirieren und gute Architekturkonzepte öffentlich zu präsentieren – das sind die Ziele des „Förderpreises“ der Stiftung Deutscher Architekten, der am Donnerstag, 23. Februar 2023, in einem Festakt im Baukunstarchiv NRW in Dortmund zum 19. Mal an angehende Architektinnen und Architekten verliehen wurde.

24.02.2023

Förderpreis 2023 der Stiftung Deutscher Architekten: Strahlende Preisträgerinnen und Preisträger –
© Foto: Detlef Podehl / Architektenkammer NRW

Drei gleichrangige Förderpreise, die mit je 4000 Euro dotiert sind, und zwei Anerkennungen gingen an Absolventinnen und Absolventen der Architekturfakultäten der nordrhein-westfälischen Hochschulen. „Architektur und Stadtplanung müssen in großem Maßstab zur Erreichung der Klimaschutzziele beitragen, deshalb brauchen wir begabte junge Menschen, die unsere gebaute Umwelt von morgen engagiert gestalten und planen“, erklärte der Präsident der Architektenkammer NRW und Vorstandsvorsitzende der Stiftung, Ernst Uhing.

Aktuelle Fragestellungen

Insgesamt 31 Arbeiten waren von Absolventinnen und Absolventen der Architekturfakultäten von elf nordrhein-westfälischen Hochschulen zum „Förderpreis 2023“ vorgelegt worden. Alle Bewerberinnen und Bewerber wurden von ihren Professor*innen als „besonders begabt“ eingeschätzt; der Vorschlag zur Teilnahme an dem Auszeichnungsverfahren erfolgte durch die jeweilige Hochschule.

Die Jury unter Vorsitz des Architekten und Stadtplaners Prof. Rolf-Egon Westerheide (Aachen) lobte die ausgezeichneten Arbeiten als Beispiele für die planerische Auseinandersetzung mit aktuellen Fragestellungen: „Die jungen Planerinnen und Planer haben sich viel mit Lösungsansätzen für die globalen Klimafolgen befasst“, berichtete Prof. Westerheide aus der Jurysitzung. „Es geht darum, nachhaltig und klimagerecht zu planen, die natürlichen Ressourcen zu schonen, den Gebäudebestand weiterzuentwickeln, aber auch mit Schrumpfung und Rückbau im Sinne der Kreislaufwirtschaft verantwortungsvoll umzugehen.“ Alle eingereichten Arbeiten hätten mit großer Analysetiefe, Fachkompetenz und Einfühlungsvermögen zu originellen Lösungsansätzen geführt.

Drei Förderpreise, zwei Anerkennungen

Drei gleichrangige Förderpreise – dotiert mit je 4.000 Euro – erhielten Susanne Hugenberg (msa Münster) für ihre Masterabeit „Hommage di Marmi | Cava di Marmi – Ein Kulturort inmitten der Marmorberge“, Eva Krings und Katja Gadziak (RWTH Aachen) für ihre gemeinsame Arbeit „Ohne Ende Anfang – Zur Transformation der Zeilenbausiedlung in Eisenhüttenstadt“ sowie Chiara Erhardt und Luca David Steinert (RWTH Aachen) für ihren Entwurf „ritrova.riesi“.

Außerdem vergab die Jury zwei Anerkennungen an Davin Schröder (FH Dortmund) für „The Earth School – Secondary school in Kafountine, Senegal“ (dotiert mit 2.500 Euro) und Joshua Karategin (PBSA Düsseldorf) für seinen Entwurf „Crossfloat“ (1.500 Euro).

Förderpreis 2023 der Stiftung Deutscher Architekten

In die Bewertung der Jury flossen u. a. ein: der Schwierigkeitsgrad der Aufgabenstellung, die Intensität und Durchdringung des Themas, die Experimentierfreudigkeit und Innovationskraft der Lösung, die bautechnologische Präzision und die Qualität der Präsentation des Entwurfsprozesses. An diesen Kriterien soll das besondere Talent des Bewerbers bzw. der Bewerberin ablesbar sein.

Der Vorstandsvorsitzende der Stiftung Deutscher Architekten, Architektenkammerpräsident Ernst Uhing, betonte anlässlich der Preisverleihung die Bedeutung einer umfassenden, profunden Hochschulausbildung für Architektinnen und Architekten, für Innenarchitekten, Landschaftsarchitekten und Stadtplaner*innen. Das Berufsbild werde immer komplexer und anspruchsvoller: Neben der Qualität des kreativen Entwurfs und der Präzision in der technischen Umsetzung müssten Architektinnen und Architekten heute zunehmend Aufgaben der Projektsteuerung leisten sowie Kommunikationsprozesse moderieren. „Die zukünftige Bau- und Planungsqualität in unserem Land braucht einen klaren Kompass und den Geist der Innovation“, führte Uhing aus. Die ausgezeichneten Förderpreisträgerinnen und -preisträger hätten mit ihren eingereichten Arbeiten dafür hervorragende Beispiele geliefert.

Weitere Informationen

  • Die Ausstellung mit den Förderpreis-Beiträgen ist ab Montag, 20.3.2023, in der ARCHITEKTENKAMMER.NRW, Geschäftsstelle der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen, Zollhof 1, 40221, Düsseldorf zu sehen. Eintritt frei. Öffnungszeiten: mo-fr, 8-17 Uhr.

Video der Preisverleihung

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Baukunstarchiv NRW

Neues Mitglied im Fachbeirat Baukunstarchiv

Im Fachbeirat des Baukunstarchivs NRW wurde am 9. Februar ein neues Mitglied begrüßt: Peter Köddermann, Programmgeschäftsführer der Landesinitiative „Baukultur NRW“, wurde feierlich von den Mitgliedern des Fachbeirats empfangen. Der Geschäftsführer des Baukunstarchivs NRW, Markus Lehrmann, hob die langjährige, intensive Zusammenarbeit der Architektenkammer NRW mit „Baukultur NRW“ hervor.

23.02.2023

„Der interdisziplinäre Ansatz der Initiative Baukultur NRW deckt sich an vielen Stellen mit dem Konzept des Baukunstarchivs NRW und bietet die Chance für gemeinsame Projekte“, erklärte Lehrmann.

Der Fachbeirat berät die Gesellschafter des Baukunstarchivs NRW in regelmäßigen Sitzungen bei der Ausstellungs- und Veranstaltungsplanung.Auch nimmt er Stellung zu wissenschaftlichen Projekten und zum Sammlungskonzept des Archivs. Dabei spricht der Fachbeirat insbesondere Empfehlungen zur Annahme oder Ablehnung von Nachlässen und Schenkungen aus, die für das Archiv vorgesehen sind.

Weitere Informationen

Der Fachbeirat des Baukunstarchivs NRW trifft sich regelmäßig – so im Februar 2023 mit den neuen Mitglied Peter Köddermann (m.). Für die AKNW begrüßte Hauptgeschäftsführer Markus Lehrmann (r.) – Foto: Melina Beierle/Architektenkammer NRW
Der Fachbeirat des Baukunstarchivs NRW trifft sich regelmäßig – so im Februar 2023 mit den neuen Mitglied Peter Köddermann (m.). Für die AKNW begrüßte Hauptgeschäftsführer Markus Lehrmann (r.) – Foto: Melina Beierle/Architektenkammer NRW

Baukunstarchiv NRW

Die Sammlung des Baukunstarchiv NRW wird digital

Ob der Nachlass von Architekt Werner Ruhnau, des Tragwerksplaners Stefan Polónyi oder der Innenarchitektin Ellen Birkelbach – das Bundesprogramm „WissensWandel“ hat die Digitalisierung wichtiger Bestände der Sammlung des Baukunstarchivs NRW in Dortmund mit 296.000 Euro gefördert. Die Arbeiten konnten nun erfolgreich abgeschlossen werden.

11.01.2023

Bis zum Jahresende 2022 konnten im Rahmen des Programms „Neustart Kultur“ rund 34.000 Dias aus herausragenden Archivbeständen wie dem des Architekten Werner Ruhnau sowie mikroverfilmte Planzeichnungen und Fotos aus dem Bestand des Tragwerksplaners Stefan Polónyi dauerhaft digital gesichert werden. Material, das in einer Auswahl bald auch über die Homepage des Archivs zu recherchieren sein wird. „Von diesem digitalen Entwicklungsschub profitieren wir als junges Haus enorm, gerade mit Blick auf die Zugänglichkeit für unsere Nutzerinnen und Nutzer“, freut sich Wolfgang Sonne, wissenschaftlicher Leiter des 2018 am Dortmunder Ostwall eröffneten Baukunstarchivs NRW und Professor an der TU Dortmund.

„Gerade die Dias, die wir in vielen Beständen finden, sind durch ihr empfindliches Trägermaterial und ihre begrenzte Haltbarkeit besonders gefährdet“, ergänzt Archivleiterin Regina Wittmann. Umso erfreulicher, dass diese Bilddaten nun für Interessierte wie Forschende auf einfachem Wege online abrufbar sind, so Wittmann weiter.

In den Genuss der Förderung kamen vor allem stark nachgefragte Bestände der Sammlung. „Mithilfe der Projektförderung durch das Digitalprogramm ‚WissensWandel‘ schaffen wir wichtige Grundlagen, auf die wir weiter aufbauen können“, erläutert Markus Lehrmann, Geschäftsführer des Baukunstarchivs NRW. Dem Beispiel der Dias sollen nach und nach weitere analoge Medien aus den Beständen folgen, beispielsweise Planzeichnungen, Fotos oder Schriftstücke.

Die Förderung im Detail

Das erste Projekt befasste sich mit dem „Tragwerksplaner Stefan Polónyi (1930-2021). Digitalisierung und Online-Katalogisierung des Foto-, Dia- und Microfilm-Bestandes im Baukunstarchiv NRW“. Für den Durchführungszeitraum von 2021 bis 2022 stand eine Fördersumme von 115.000 Euro zur Verfügung.
Das Digitalisierungsprojekt widmete sich dem analogen Bildmaterial sowie umfangreichen mikroverfilmten Planunterlagen.

Das zweite Projekt „Zugangsverbesserung und Sicherungskopie ausgewählter herausragender Diabestände im Baukunstarchiv NRW durch bestandsübergreifende Digitalisierung“ (Durchführungszeitraum 2022) bekam eine Fördersumme von 157.000 Euro. Damit wurden neben dem Diabestand des Architekten Werner Ruhnau auch diejenigen der Architekten Helge Bofinger, Peter Grund, Hans Junghanns, Josef Paul Kleihues, Eckhard Schulze-Fielitz, Wilhelm Seidensticker und Friedrich Wolters bearbeitet. Hinzu kamen die Dias der Innenarchitektin Ellen Birkelbach und der Landschaftsarchitektin
Helga Rose-Herzmann und des Landschaftsarchitekten Georg Penker. Beide Förderprojekte konnten zum Jahresende 2022 erfolgreich abgeschlossen werden.

Programm „WissensWandel“

Mit dem Förderprogramm „WissensWandel“ hat der Deutsche Bibliotheksverband (dbv) zahlreiche Bibliotheken und Archive beim digitalen Wandel unterstützt. Das von November 2020 bis Dezember 2022 laufende Programm ist Teil des Rettungs- und Zukunftsprogramms „Neustart Kultur“ der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM). Insgesamt sind Fördermittel in Höhe von rund 26,3 Millionen Euro geflossen. 751 Projekte konnten hierdurch gestemmt werden, darunter zwei des Baukunstarchivs NRW.

Exkursionen

Poveglia – die Geisterinsel

Der Titel weckte leichte Schauer-Assoziationen: Mit der Wiederbelebung der unbewohnten Insel Poveglia befasste sich der internationale Workshop, zu dem die Stiftung Deutscher Architekten vom 30. September bis zum 6. Oktober 22 junge Absolventinnen und Absolventen nach Venedig eingeladen hatte. Kooperationspartner war die Università Iuav di Venezia (IUAV) mit ihrer Architekturfakultät.

18.10.2022

Mit der Wiederbelebung der unbewohnten Insel Poveglia befasste sich der internationale Workshop, zu dem die Stiftung Deutscher Architekten vom 30. September bis zum 6. Oktober 22 junge Absolventinnen und Absolventen nach Venedig eingeladen hatte.
© Foto: Melina Beierle/ Architektenkammer NRW

Im Rahmen eines umfangreichen Programms wurden die Teilnehmenden an die Geschichte und städtebauliche Entwicklung der Hauptinsel Venedigs mit den verschiedenen zugehörigen Inseln in der Lagune herangeführt. Anschließend entwickelten sie vor Ort auf der Klosterinsel San Servolo spannende Konzepte und Ideen zu der gestellten Aufgabe.

Betreut wurde der Workshop von Prof. Donatella Fioretti (Kunstakademie Düsseldorf), Prof. Rolf Westerheide (Vorstandsmitglied AKNW) und seitens der IUAV von Prof. Marco Pogacnik und Prof. Sergio Pascolo.

Poveglia per Tutti

Am Beispiel der verlassenen venezianischen Insel Poveglia, die sich auf Grund ihrer Vergangenheit und des verfallenden Gebäudebestands einer ehemaligen Psychiatrie als „Geisterinsel“ einen zweifelhaften Ruf erworben hat und sich heute im Spannungsfeld der wirtschaftlichen Interessen von Investoren und einer Bürgerinitiative „Poveglia per Tutti“ zum Erhalt der Insel für die Bevölkerung befindet, wurden baukulturelle und gesellschaftlich relevante Themen in fünf kleinen Arbeitsgruppen bearbeitet. Dabei standen vor allem die Themen Klima- und Hochwasserschutz, Resilienz in der Stadtentwicklung sowie der dramatische „Übertourismus“ in der Lagunenstadt im Vordergrund.

Originell und provokative Konzepte

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Workshops entwickelten in knapp zwei Tagen spannende, teilweise auch provokante und überraschende Ideen und Konzepte. Mit dem Titel „COVEGLIA – Ein Stein im Wasser, der Wellen schlägt.“ entstand der Vorschlag, auf der Insel ein Reallabor zur Kommunikation und Kooperation zu gründen.

„Alles bleibt – aber besser!“ schlug eine andere Gruppe vor. Es soll die Wildheit der Insel erhalten bleiben und einen Studiengang der IUAV für „archäologische Politikwissenschaften“ entstehen. Teile des Gebäudebestand würden erhalten und für wissenschaftliche Zwecke nutzbar sein. Andere Teile sollen als Ruinen Zeitzeugen bleiben.

Für das Thema Übertourismus und die Möglichkeit, einen ökologischen und gesellschaftlich vertretbaren Tourismus, aber auch zeitlich begrenztes Wohnen zuzulassen, fand eine Gruppe die Antwort: „Auf Poveglia ist jeder Gast.“

Mit einem „Manifesto: Occupy Poveglia“ entwarf eine weitere Gruppe zwei unterschiedlich radikale Szenarien zur Aneignung der Insel und Bildung eines neuen gesellschaftlichen Systems, das den Naturraum schützt und das sich von Poveglia ausgehend verbreitet.

„Elysium – Die Insel der Verrückten“ war schlussendlich der Vorschlag, ein „Raster für Alles“ zu entwickeln. Von Poveglia ausgehend sollen Wissenschaftler städtebauliche und politische Strukturen schaffen, die als Raster auf der Insel genutzt werden können und sich von Poveglia aus über die ganze Welt erstrecken können. Utopie oder Dystopie?

Unheimlich gut: Dokumentation

Wenn Sie neugierig geworden sind und mehr über die Ideen, Konzepte und Vorschläge der jungen Planerinnen und Planer wissen wollen: Die Ergebnisse des Workshops werden nun ausführlich in einer Dokumentation dargestellt und erläutert, die kostenlos bei der Architektenkammer NRW bestellt werden kann: info@aknw.de.

Video zum Workshop

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Stipendien

Karl Ganser: Vordenker eines neuen Ruhrgebiets

Stipendiatin Dr. Anna Kloke erforscht für ihr Habilitation Leben und Werk des Architekten Karl Ganser, der im Jahr 2022 im Alter von 85 Jahren gestorben ist. – Erster Zwischenbericht.

01.06.2022

Karl Ganser wurde 1937 im bayrischen Mindelheim geboren und studierte Chemie, Biologie und Geographie an der Technischen Hochschule München. Nach seiner Promotion und Assistenzzeit am dortigen Geographischen Institut wurde Ganser Projektleiter im Stadtentwicklungsreferat der Landeshauptstadt München, wo er auch für die Olympischen Spiele plante. Nach seiner Habilitation wurde er Leiter des Instituts für Landeskunde in Bonn, der späteren Bundesforschungsanstalt für Landes- und Raumkunde. Von 1980 bis 1989 war Ganser Abteilungsleiter Städtebau im Ministerium für Landes- und Stadtentwicklung des Landes NRW unter der Führung von Christoph Zöpel. Nach einem Besuch der „Internationalen Bauausstellung 1987“ in Berlin schlug Ganser seinem Minister eine „Internationale Bauausstellung“ als Strukturförderprogramm für das nördliche Ruhrgebiet vor. Als Geschäftsführer lenkte Ganser von 1989 bis 1999 maßgeblich die Geschicke der „IBA Emscher Park“.

Die IBA – Werkstatt für das Ruhrgebiet und darüber hinaus

Die IBA Emscher Park war mit ihren 119 Initiativen als Impuls für eine Erneuerung im städtebaulichen, sozialen, kulturellen wie auch ökologischen Bereich angelegt. Verbunden mit einem Anspruch auf Modellhaftigkeit lautete ihr Untertitel „Werkstatt für die Zukunft alter Industriegebiete“. Wichtiges Credo: Die Reaktivierung der Flächen dürfe nicht zum Verlust ihrer Geschichtlichkeit führen, da diese essentiell für die räumliche und städtebauliche Identitätsbildung in der Region sei. Somit konnten durch die IBA Emscher Park wichtige Zeugnisse der Industriekultur erhalten und darüber hinaus für eine breitere Öffentlichkeit erlebbar ge-macht werden. Die IBA stieß einen bedeutenden Wandel in der Wahrnehmung und Rezeption der Metropolregion an. Die Zeche Zollverein, lange Zeit negativ konnotiert mit dem Niedergang der Montanindustrie, entwickelte sich zu einem „Ausrufezeichen des Strukturwandels“, wie Andreas Rossmann am 19.11.2011 in der FAZ schrieb. Die „Europäische Kulturhauptstadt Ruhr 2010“ versuchte den Faden aufzunehmen und verstand sich selbst als Nachfolgeinstitution der IBA Emscher Park.

Der Bestand „Ganser“ im Baukunstarchiv NRW

Neben bereits bekannten und publizierten Inhalten zählen zum Bestand des Nachlasses Ganser im Baukunstarchiv NRW Korrespondenzen, Aktennotizen und Vortragsmanuskripte, die neben zahlreichen anderen Initiativen neue Einblicke in bedeuten-de Projekte wie die IBA Emscher Park oder die RUHR.2010 gewähren. Das Material legt Hintergründe offen und zeichnet politische Debatten auf unterschiedlichen Ebenen nach. In Brief-wechseln und Vortragsmanuskripten blickt Ganser zurück, bewertet und wagt einen Ausblick etwa auf die Regionalpolitik im Ruhrgebiet. Eine Dankesrede, die er anlässlich der Verleihung des „Obayashi Prize“ 2006 in Japan hielt, zeugt davon. Verschiedene Kartons mit Archivmaterial zu Auslandskontakten gewähren einen Einblick in die Rezeption der Bauausstellung auch auf internationaler Ebene.

Forschungsstand erweitern

Zahlreiche Publikationen aus unterschiedlichen Fachdisziplinen sind dem Thema IBA Emscher Park und der Metropole Ruhr gewidmet. Der Bestand „Ganser“ im Baukunstarchiv NRW bietet nun die einmalige Möglichkeit, den aktuellen Forschungsstand zur jüngeren Geschichte der Architektur und des Städtebaus des Ruhrgebietes um die Perspektiven, die die wissenschaftliche Erschließung des persönlichen Nachlasses Karl Gansers eröffnen, zu erweitern.

Dr. Anna Kloke forscht als wissenschaftliche Mitarbeiterin der Technischen Universität Dortmund zur Geschichte der Architektur und des Städtebaus im Ruhrgebiet. Als Mitglied der AKNW wurde sie 2022 von der Stiftung Deutscher Architekten für ein Habilitationsstipendium ausgewählt.
Weitere Infos und Bilder unter www.stiftung-deutscher-architekten.de

Dr. Anna Kloke – 1.6.2022