Stipendien

René von Schöfer: Architekt in vier Epochen

Moritz Wild promoviert mit Unterstützung der Stiftung Deutscher Architekten über den Architekten und Stadtplaner René von Schöfer. – Sein zweiter Zwischenbericht.

20.02.2015

René von Schöfer (1883-1954) studierte zur Zeit des Deutschen Kaiserreichs in München Architektur und nahm für das Deutsche Archäologische Institut antike Bauten in Pompeji auf. In der Weimarer Republik arbeitete er als Assistent von Theodor Fischer und übernahm 1926 den Lehrstuhl für Bauformenlehre an der Technischen Hochschule Aachen. Von dort aus war er als Hochschullehrer, Architekt und Stadtplaner sowohl im Dritten Reich als auch im Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg tätig. Am Beispiel von René von Schöfers Werk und seines facettenreichen Karrierewegs durch die kontrastierenden politischen Systeme werden die für ihn relevanten Architekturauffassungen und Planungsleitbilder betrachtet, die Bauformenlehre und die Städtebau-Lehre an der RWTH Aachen nachgezeichnet und die tatsächliche Planungspraxis analysiert, um aus dieser Perspektive Zusammenhänge zu veranschaulichen.

Das erste Jahr des Promotionsprojektes war geprägt von der Recherche. Ausgehend von einem vorläufigen Werkverzeichnis, das vor einigen Jahre beim Förderverein Festung Zitadelle Jülich zusammengestellt wurde, waren alle Gemeinden, in denen von Schöfer tätig war, und ihre Archive, Bau- und Planungsbehörden zu besuchen, um historische Pläne, Bauakten und Verfahrensakten zu städtebaulichen Planungen sowie erläuternde Quellen wie historische Abbildungen und Zeitungsartikel zu sichten. Die in den Gemeinden fehlenden Materialien konnten insbesondere durch die Bestände des Landesarchivs ergänzt werden, da beispielsweise die damals noch existierende Bezirksregierung Aachen bei städtebaulichen Planungen zu beteiligen war. Um den heutigen Bestand mit der Planung zu vergleichen, wurden die noch existierenden Anlagen besichtigt. Da neben den Planungsprojekten die Hochschulkarriere und die klassische Bauforschung in Pompeji wesentliche Aspekte der Laufbahn von Schöfers darstellen, waren einerseits in den Archiven der RWTH Aachen und der TU München und andererseits beim Deutschen Archäologischen Institut und im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz in Berlin wesentliche Informationen zu gewinnen. Infolge der Recherche, durch die das Werkverzeichnis um einige Projekte erweitert werden konnte, haben sich mehrere Themenbereiche für die weitere Bearbeitung ergeben.

Seine Bauforschung in Pompeji stellt eine biografische Besonderheit dar. War sie ein Karrieresprungbrett? Während sich Adolf Hoffmann in Berlin mit der Auswertung der Arbeiten aus der Perspektive des klassischen Bauforschers befasst, wird im Promotionsprojekt vor allem die Bedeutung der Bauforschung für die Karriere von Schöfers untersucht, die wiederum als Beispiel für die Entwicklung der Hochschullehre in der ersten Jahrhunderthälfte herangezogen wird. So war von Schöfer zwischen 1911 und 1920 konzentriert in Pompeji tätig, musste seine Forschungen aber wegen des Ersten Weltkriegs unterbrechen. Nach dem Krieg erzwangen finanzielle Probleme einen Umbruch, sodass von Schöfer fortan als Assistent Theodor Fischers in München arbeitete. Aber seine Kontakte aus der Zeit als Bauforscher waren ihm geblieben. Als sein Bauforscher-Kollege Friedrich Krischen, der den Lehrstuhl für Bauformenlehre in Aachen vertrat, an die TH Danzig berufen wurde, bewarb sich René von Schöfer in enger Abstimmung mit Fürsprechern aus dem DAI erfolgreich um die Nachfolge. Um die wissenschaftliche Qualifikation für den Lehrstuhl nachzuweisen, promovierte er 1926 bei Hubert Knackfuß über das Haus des Faun in Pompeji. Obwohl von Schöfer im gleichen Jahr die Koldewey-Gesellschaft mitgründete, konzentrierte er sich in den folgenden Jahrzehnten auf eigene Planungen und auf die Hochschullehre. Die Vernachlässigung der Bauforschung führte 1938 zu einem anhaltenden Streit mit dem DAI, weil die politische Beziehungspflege des Dritten Reichs zum Verbündeten Italien danach verlangte. Die vom DAI als Ausreden wahrgenommenen Entschuldigungen von Schöfers korrespondieren auffällig mit den Entwicklungen an der TH Aachen in den dreißiger Jahren und mit denen im Kriege.

Von Schöfers Hochschulkarriere und Lehre begann als Assistent an der TH München, deren Architekturabteilung in den zwanziger Jahren im Umbruch war. Unmittelbar nach dem gescheiterten Hitler-Putsch im Jahr 1923 wurde von Schöfer in München Mitglied des Deutsch-Völkischen Offiziersbundes, der gegen eine befürchtete Überfremdung des deutschen Volkes kämpfte und der Presse vorwarf, die vermeintliche Wahrheit zu verschweigen. Als von Schöfer an die TH Aachen berufen wurde, war auch dort das Studium zu reformieren. Seine Laufbahn dort umspannt etwa ein Fünftel der gesamten Geschichte der RWTH Aachen. Er war im Dritten Reich Vertrauensmann des NS-Dozentenbundes, wurde aber nach dem Krieg als politisch Unbelasteter in den Entnazifizierungsausschuss berufen. In diesem Zusammenhang benutzte er seine Stellung als Dekan, um Entlastungszeugen seines Rivalen Hans Mehrtens unter Druck zu setzen, was von Schöfer beinahe die Karriere kostete. Trotzdem vertrat er mit seinen Lehrgebieten Städtebau, Baugestaltung, Antike Baugeschichte und Bauaufnahme die Aufgaben zweier Lehrstühle in Personalunion bis 1953 und lehrte noch bis zu seinem Tod 1954 ehrenamtlich.

Ab Mitte der dreißiger Jahre wurde die TH Aachen in die Siedlungsplanungen der Deutschen Arbeitsfront im Wurmrevier einbezogen. Zum einen war von Schöfer in mehrere Planungen im Raum Alsdorf involviert und arrangierte praxisnahe Aufgaben für seine Studenten. Zum anderen lässt sich anhand allgemeiner Richtlinien und einer DAF-Siedlung in Wassenberg nachzeichnen, was die Reichsheimstättenämter unter dem Typ „Heimstättensiedlung“ und unter „Vorstädtische Kleinsiedlung“ verstanden und wie von Schöfer als Planer der Gesamtanlage und der Typenhäuser die Vorgaben in Wassenberg praktisch umsetzte.

Ausgehend von Planungstheorien der Nachkriegszeit (und von Schöfers Lehre), dem gegebenen Planungsrecht und den politischen, gesellschaftlichen sowie persönlichen Rahmenbedingungen, kann anhand von Planungsverfahren überprüft werden, wie Planung im Wiederaufbau durchgeführt werden sollte und wie sie tatsächlich abgelaufen ist. So sahen manche Gemeinden die Zerstörungen als Gelegenheit, lange gehegte Ideen zu realisieren. Leitplanverfahren nach dem Aufbaugesetz von 1950 wurden z.B. durch Verfahrensfehler oder geänderte politische Ziele bis nach von Schöfers Tod verzögert. In Aachen war er 1946-48 Beauftragter für die Stadtneuplanung, bis das Planungsamt wieder handlungsfähig war, das seitdem von seinem langjährigen Mitarbeiter Wilhelm Kaspar Fischer geleitet wurde. Außerhalb von Aachen bearbeitete von Schöfer vor allem Planungen für Kleinstädte wie das nahezu völlig zerstörte Jülich und für ländliche Gemeinden im Raum Aachen.

Zu den weiteren Themenkomplexen gehört die Analyse von Gebäudetypologien wie beispielsweise Bildungsbauten. Von Schöfer plante eine kompakte Dorfschule im Dritten Reich. Kurz vor dem Zweiten Weltkrieg legte er den Entwurf für die geordnete Erweiterung der TH Aachen vor. Wegen des Krieges, in dem die Hochschule zeitweise geschlossen wurde, kam es nie zur Ausführung. Ab dem Ende der vierziger Jahre entstand in Schleiden (Eifel) ein mehrflügeliges Gymnasium. 1950 nahm von Schöfer mit einem raumgreifenden Idealentwurf nach den brandaktuellen „Fredeburger Schulbaurichtlinien“ an einem Wettbewerb teil und 1953 plante er eine ganz anders konzipierte Grundschule, welche die vorgenannten Richtlinien anscheinend in Teilen schon wieder hinter sich ließ.

Nachdem nun die hauptsächliche Recherchephase abgeschlossen ist, bilden im zweiten Jahr des Promotionsprojekts die Dokumentation, Auswertung und Interpretation anhand von Fachliteratur die Schwerpunkte.

Moritz Wild, 20.2.2015