Förderpreis

Interview: „Die Architektur geht aus dem Terroir hervor“

Die Stiftung vergibt alle zwei Jahre Förderpreise an besonders begabte Absolventinnen und Absolventen der Architektur- und Stadtplaner-Studiengänge in NRW. Die unabhängige Jury unter Vorsitz von Architektin und Stadtplanerin Judith Kusch hat im Januar getagt und drei besonders talentierte Nachwuchsplanerinnen- und planer ausgewählt. Einen Förderpreis erhielten Stefan Otte und David Taffner für die Arbeit „60 % Steigung, 80 % Riesling, 100 % Terroir“, vorgeschlagen von Prof. i. R. Dipl. Ing. Bauassessor Rolf Westerheide von der RWTH Aachen.

12.07.2019

60 % Steigung, 80 % Riesling, 100 % Terroir
© Stefan Otte und David Taffner

Stefan Otte und David Taffner, die ausgezeichnete Arbeit befasst sich mit der besonderen Aufgabe, ein Weingut an der Mosel zu erweitern. Ein Weingut als Bauaufgabe ist für Planerinnen und Planer in NRW keine alltägliche Aufgabe. Haben Sie sich diese Aufgabenstellung selbst gesucht und gewählt? 

Wir haben beide einen familiären Bezug zur Mosel, von daher sind uns die Thematik und die Gegend gut bekannt. Davids Familie betreibt das Weingut, das wir in der Thesis erweitern und ergänzen; die Aufgabe ist also keine rein fiktive Idee. Wir wussten schon länger, dass wir unsere Master-Thesis gemeinsam erarbeiten wollten und haben uns im Vorfeld auch oft gefragt auf welche Bauaufgabe wir richtig Lust haben und welches übergeordnete Themengebiet uns wirklich interessiert. Ein Weingut bietet eine große Bandbreite an Räumlichkeiten, von funktionaler Produktion bis hin zu atmosphärischen Gasträumen – eine komplexe Aufgabe, an der wir großen Spaß hatten.  

Die Jury sieht in Ihrer Arbeit einen wichtigen Beitrag von außerordentlicher Qualität zur Fragestellung des Umgangs mit erhaltenswerter Bausubstanz im ländlichen Raum. Wie sehen Sie die Zukunft des ländlichen Raums und welchen Beitrag können Architektinnen und Architekten zum Erhält der regionalen Baukultur Ihrer Meinung nach leisten?

Große Städte und Ballungszentren werden weiterhin wachsen, umso wichtiger ist es, dass der ländliche Raum im Zuge dieser Entwicklung nicht abgehängt wird. Architektinnen und Architekten haben aufgrund ihrer Ausbildung das Fachwissen zu erkennen, wo und wie sich erhaltenswerte Bausubstanz identitätsstiftend nutzen lässt. Am Beispiel unserer Thesis ist dies das denkmalgeschützte Bestandshaus von 1518, für die meisten Einwohner Zell-Merl – auf den ersten Blick nur ein marodes, sanierungsbedürftiges Haus, für uns jedoch der Ausgangspunkt der gesamten Erweiterung und formal sogar Vorlage für den Ergänzungsbau. Die Verflechtung der Architektur mit den lokalen Gegebenheiten (Terroir) ist hier das wichtigste Instrument; ein anonymer Neubau, der überall stehen könnte, ist im ländlichen Raum sicherlich kontraproduktiv. Wie in unserem Fall lässt sich in ländlichen Regionen Deutschlands vielerorts an eine reiche Historie anknüpfen, die durch uns als Planer gesichert und ausgebaut werden sollte, um den Charakter eines Ortes weiter zu schärfen. Hierdurch wird die Identität gestärkt und ein Alleinstellungsmerkmal ausgebildet. Der ländliche Raum erfährt dadurch einen deutlichen Qualitätszuwachs und es wird ein Kontrastangebot zum anonymeren Stadtraum geschaffen.  

Welche Pläne haben Sie für Ihren weiteren beruflichen Werdegang? Möchten Sie ein eigenes Architekturbüro – vielleicht sogar gemeinsam – gründen oder sehen Sie Ihre Zukunft in einem anderen Bereich?

Momentan sammeln wir unabhängig voneinander unsere Erfahrungen in Büros mit spannenden und komplexen Bauaufgaben. Mindestens genauso wichtig wie ein schöner Entwurf ist es, die Qualitäten über den Planungs- und Bauprozess ins fertige Gebäude zu bringen. Das will gelernt werden. Die Selbstständigkeit können wir uns vorstellen, aber sie ist kein Muss. Wichtiger ist es uns eine Architektur zu entwerfen und zu bauen, die keinem Trend unterliegt, die bleibt. Ein eigenes Architekturbüro stellt zukünftig sicherlich eine reizvolle Option dar, um die eigenen Ideale möglichst unverfälscht in eine gebaute Realität verwandeln zu können. Zudem spielen die Lehre und der theoretische Diskurs in der Architektur eine wichtige Rolle für uns, da dies als Motor für Innovation dient und Zeit für eine tiefergehende Auseinandersetzung und Erforschung einer Fragestellung bietet.