Förderpreis

Interview: Der „digital turn“ und das Verschwinden der Dinge

Die Stiftung Deutscher Architekten vergibt alle zwei Jahre Förderpreise an besonders begabte Absolventinnen und Absolventen der NRW-Architekturstudiengänge. Die unabhängige Jury unter Vorsitz von Architektin und Stadtplanerin Judith Kusch hat im Januar getagt und drei besonders talentierte Nachwuchs-Planerinnen und Planer ausgewählt. Einen Förderpreis erhielt Jan Hafner für die Arbeit „The Other Place – Das Haus der Kulturen der digitalen Welt“, vorgeschlagen von Prof. Dipl.-Ing. Holger Hoffmann, Bergische Universität Wuppertal.

15.05.2019

Jan Hafner, Förderpreisträger 2018, vor seinem Entwurf „The Other Place – Das Haus der Kulturen der digitalen Welt“
© Detlef Podehl

Herr Hafner, Ihre Arbeit befasst sich mit dem „digital turn“ und dem damit in Zusammenhang stehenden Phänomen des Verschwindens der Dinge. Die daraus entstehende funktionale Befreiung des Raums zugunsten atmosphärisch geprägter Raumkompositionen sind Grundlage Ihrer Entwurfsidee. Ist die Digitalisierung ein Thema, das Sie beruflich auch weiterhin vertiefen möchten?

Ich halte es in jedem Fall für wichtig den stark wachsenden Einfluss der Digitalisierung auf den Lebenswandel unserer Gesellschaft und der Arbeitswelt ernst zu nehmen. Für mich als Architekten bedeutet das stets Schritt mit der rasant fortschreitenden technologischen Entwicklung zu halten. Deshalb sehe ich unter anderem den selbstverständlichen Umgang mit digitalen Entwurfs- und Darstellungswerkzeugen und die damit verbundene Fähigkeit intelligente Entwurfsmodelle zu erstellen für die Konkurrenzfähigkeit im Berufsfeld als unabdingbar an.

Inhaltlich interessieren mich aber, wie auch in meiner Abschlussarbeit, eher die ursprünglichen Motive der Disziplin – das Entwerfen und Erfahren besonderer Räume.

Leider ist, gerade in der größtenteils von wirtschaftlichen Interessen getriebenen Baukultur Deutschlands, eine Vorliebe zur Minimallösung zu beobachten. Dieses Phänomen führt – zumindest nach meinem Verständnis – letztendlich zur Degeneration des Architekturbegriffs.

Ich freue mich, wenn ein schwindender funktionaler Anspruch an den gebauten Raum und eine neue Wertschätzung der sinnlichen Erfahrung von Raum uns Entwerfern wieder die Möglichkeit gibt unser Augenmerk verstärkt auf die künstlerisch-ästhetischen Fragestellungen der Materie zu legen.

Die Jury hat Ihnen ein besonderes Talent bestätigt. Sie seien ein Gesamtpaket, kreative Gestaltungskraft, architektonische Produktivität und ein feiner Intellekt greifen vorbildlich ineinander. Wo sehen Sie selbst Ihre Stärken?

Grundsätzlich halte ich ein hohes Durchhaltevermögen und eine gewisse Hartnäckigkeit bei der Lösung spezifischer Problemstellungen für Voraussetzungen, um ein Architekturstudium nicht nur erfolgreich zu bestehen, sondern die Materie in ihrer ganzen Komplexität und Tiefe durchdringen zu können.

Auch „weiche“ Faktoren, wie eine genaue Beobachtungsgabe und die Geduld sich mit allen Sinnen auf Raumsituationen und Atmosphären einzulassen, spielen meiner Ansicht nach eine wichtige Rolle.

Durch meine handwerkliche Ausbildung und die eingehende Beschäftigung mit 3D-Modeling-Tools schon zu Beginn des Architekturstudiums hatte ich die Möglichkeit, relativ früh sowohl ein räumliches und technisches Grundverständnis, als auch eine hohe Präzision bei der Fertigung von Zeichnungen und Modellen entwickeln zu können.

Welche Pläne haben Sie für Ihren weiteren beruflichen Werdegang? Möchten Sie ein eigenes Architekturbüro gründen oder sehen Sie Ihre Zukunft in einem anderen Bereich?

Zunächst möchte ich auf meine Kammerzulassung hinarbeiten. Ich bin zurzeit bei einem kleinen aufstrebenden Architekturbüro in Düsseldorf angestellt und habe dort das seltene Glück an wirklich spannenden Projekten, die sich jenseits des – in den vorwiegend kommerziell eingestellten Büros im weiteren Umkreis herrschenden – Standards bewegen, mitfeilen zu dürfen.

Ein eigenes Büro ist für mich derzeit kein gesetztes Ziel, jedoch durchaus vorstellbar.  In meiner Studienzeit hat sich ein Kollektiv einiger besonders ambitionierter Studenten aus unterschiedlichen Semestern zusammengefunden, das bis heute besteht und regelmäßig zusammenarbeitet, an Wettbewerben teilnimmt und den theoretischen Diskurs pflegt. Ich fände es sehr spannend aus dieser Dynamik heraus früher oder später ein auch wirtschaftlich erfolgreiches Unternehmen entstehen zu lassen.

Auch aufgrund meiner Ausbildung zum Tischler, interessiere ich mich sehr für artverwandte Disziplinen wie Objekt- und Möbeldesign. Ich kann mir gut vorstellen in Zukunft ein Betätigungsfeld zu erschliessen, in dem ich die Möglichkeit habe, die künstlerischen und entwerferischen Inhalte des Architekturstudiums mit Tätigkeiten aus dem Bereich der handwerklichen und digitalen Fertigung zu verbinden.