Stipendien Wie ist eine zeitgemäße Architekturlehre aufgebaut und welche Faktoren beeinflussen die Stadtplanung? Über die Laufbahn René von Schöfers (1883-1954) erschließt die Dissertation von Moritz Wild die Architektenausbildung an der RWTH Aachen seit den Studienreformen nach dem Ersten Weltkrieg bis zum Wiederaufbau in den fünfziger Jahren. Anhand seiner Projekte werden neue Erkenntnisse über Planungsprozesse des genannten Zeitraums im ehemaligen Regierungsbezirk Aachen gewonnen. René von Schöfer lehrte von 1926 bis 1954 an der RWTH Aachen. Wie an den anderen Technischen Hochschulen reformierte die RWTH Aachen nach dem Ersten Weltkrieg ihre Architektenausbildung von der historistischen Stilschule zur mehr bautechnisch ausgerichteten Konstruktionsschule. Die Heimatschutzarchitekten erkannten die Vorteile der neuen Bautechniken, setzten sie aber ein, um idealisierte Vorstellungen von Staat und Gesellschaft aus der vorindustriellen Zeit auszudrücken. Von Schöfer verstand die Bauformenlehre als Fach, das die geistigen Grundlagen des traditionalistischen Entwerfens vermittelte. Während des Dritten Reiches passte sich die RWTH Aachen den Bedürfnissen des neuen Staates an, indem sie Aufgaben im Siedlungswesen und in der Raumforschung an sich zog. Zu dieser Zeit übernahm René von Schöfer auch Aufgaben in der Städtebaulehre, deren Inhalte sich anhand der Vorlesungsmitschriften nachvollziehen lassen, die freundlicherweise von Maria Schwarz zur Verfügung gestellt wurden. Neue Dozenturen ergaben sich zum Teil aus den Anforderungen des Vierjahresplans zur Kriegsvorbereitung. Methodisch spielten Entwurfsaufgaben in der Ausbildung eine zunehmende Rolle. Und während des Zweiten Weltkriegs wurden Studenten zeitweise zur Bauaufnahme von Kulturgut eingesetzt. Gegen den Protest der Hochschullehrer, die vor einer Verschlechterung der Ausbildungsqualität warnten, setzten die Nationalsozialisten eine Studienzeitverkürzung durch, um den wirtschaftlichen und rüstungspolitischen Bedarf an Ingenieuren durch frühere Abschlüsse schneller zu decken. Nach Kriegsende wurde das gleich revidiert. Nach dem Zweiten Weltkrieg entschloss sich Theodor Veil, Professor für Städtebau und bürgerliche Baukunst, obwohl er durch die Militärregierung in seinem Amt an der Hochschule bestätigt worden war, in seine Heimat Ulm zurückzukehren. Dadurch verblieb von Schöpfer als einziger formeller Professor für Städtebau an der RWTH und lehrte das Fachgebiet noch, bis Erich Kühn 1953 die Nachfolge antrat. Mit seiner Berufung verknüpfte die Hochschule die Gründung des Instituts für Städtebau und Landesplanung, das heute von Kunibert Wachten geleitet wird. Da von Schöpfers Lehrstuhl so breit ausgerichtet war und das Kultusministerium es befürwortete, konnte die RWTH einen schon nach dem Ersten Weltkrieg gehegten Wunsch verwirklichen: Wegen der schweren Kriegsschäden an Baudenkmälern gab es den Bedarf, aus dem Lehrgebiet Bauformenlehre 1955 den Lehrstuhl für Baugeschichte und Denkmalpflege hervorgehen zu lassen, der vom Kölner Dombaumeister Willy Weyers geleitet wurde. In den ersten Jahren nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten war die Altstadtsanierung ein städtebauliches Instrument, durch das innerstädtische Problemviertel wirtschaftlich aufgewertet und attraktiver gestaltet werden sollten, indem sie von Hinterhofbebauung und von politisch unliebsamen Bewohnern gereinigt wurden. In Aachen lagen solche Gebiete an der Peterstraße, die seinerzeit zu einer wichtigen Durchgangsstraße für den überörtlichen Verkehr ausgebaut werden sollte. Nachdem die Stadtverwaltung eine erste Planung vorgenommen hatte, die einen Schlauch paralleler Straßenfluchten vorsah, drängte die unzufriedene Bezirksregierung darauf, einen versierten Stadtplaner einzuschalten. René von Schöpfer plante daraufhin eine Abfolge von übersichtlichen Straßenräumen vom Friedrich-Wilhelm-Platz bis zum Hansemannplatz, wobei er darauf achtete, nicht beide, sondern nur die Bauflucht einer Straßenseite zu verlegen. 1937 war dann der neue Fluchtlinienplan beschlossen worden. René von Schöpfer Entwarf auch ergänzende baupolizeiliche Bestimmungen für die Baugestaltung an der Peterstraße, woraufhin im Jahre 1938 eine Gestaltungssatzung den privaten Bauherren einen rechtsverbindlichen Rahmen für bauliche Veränderungen und Neubauten setzte. Wie weit die Arbeiten an der Peterstraße bis 1945 vorangeschritten waren zeigt u.a. der Zerstörungsplan von 1946 für das Stadtgebiet Aachen, worin sich der bereits verbreiterte und der noch enge Abschnitt der Peterstraße deutlich abzeichnen. Ins Detail ging von Schöpfer durch Fassadenabwicklungen der neu zu errichtenden Südfassaden der Peterstraße zwischen der Einmündung der Adalbertstraße und der Blondel Straße. Sie wurden zur Vorlage für die durch Eigeninitiative der Anlieger zu errichtenden Neubauten, die noch vor dem Zweiten Weltkrieg realisiert wurden und nach der Beseitigung von Kriegsschäden heute noch überwiegend erhalten sind. Besonders hervorzuheben ist der Vorgang um einen Planungsausschuss, der 1936 gegründet wurde, um Detailfragen des Projekts zu erörtern. Aus dem Vorschlag von Schöpfers, an der Einmündung der Adalbertstraße in den Friedrich-Wilhelm-Platz ein Hochhaus als Dominante zu errichten, entwickelte der Ausschuss nach Einspruch des Bürgermeisters, der ein Hochhaus ablehnte, das heute sogenannte „Kleine Hochhaus“, dessen hohes Walmdach den Baukörper bodenständiger wirken lässt als wenn die Vollgeschosse bis ganz nach oben gereicht hätten. Als nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst von Schöpfer mit der Wiederaufbauplanung Aachens beauftragt und 1948 sein langjähriger Assistent Wilhelm Fischer zum Direktor des Stadtplanungsamtes ernannt wurde, fanden die Planungen der Vorkriegszeit ihre Fortsetzung. Die Planungsprozesse und angewandten Instrumente im Wiederaufbau bilden den Arbeitsschwerpunkt im dritten Jahr des Promotionsprojekts. Eine wichtige Schnittstelle zwischen der Hochschullehre und der Planungspraxis war die Mitarbeit der Hochschule ab 1934 im von der Deutschen Arbeitsfront initiierten Siedlungsprogramm im Großraum Aachen. War die Altstadtsanierung mehr ein Programm, um den sich vom sozialen Abstieg bedroht fühlenden Mittelstand zu befriedigen und den Eindruck zu erwecken, der Nationalsozialismus würde sich, plakativ im Gegensatz zu den früheren demokratischen Parteien, um dessen Sorgen kümmern, hatte das deutsche Siedlungswerk die publikumswirksamen Beschaffung von Wohnraum und Arbeit für die Arbeiterklasse sowie deren „Verwurzelung“ auf deutschem Boden zum Ziel. Ab 1935 war René von Schöfer vorübergehend der Beauftragte des Rektors zur Verhandlung mit dem Reichsheimstättenamt über die Beteiligung der RWTH Aachen an Siedlungsplanungen und Ausstellungen. Daraufhin war sie in Planungen im Raum Alsdorf einbezogen, als beispielsweise Studierende unter von Schöfers Anleitung Vorentwürfe für die Anlage von Siedlungen bearbeiteten, die vom Reichsheimstättenamt baureif ausgearbeitet werden konnten. Auch konnten Studenten Praxiserfahrung auf der Baustelle erwerben. Mit dem Vierjahresplan von 1936, der Konzentration auf rüstungswichtige Ziele und der zunehmenden Verbindung der NSDAP mit der kriegswichtigen Großindustrie wurden Siedlungen zunehmend in der Nähe von Fabriken errichtet. Die Siedlung der Deutschen Arbeitsfront im Osten von Wassenberg sollte Arbeiter aufnehmen, die in den Fabriken des Umlandes tätig wurden. Ein willkommener Nebeneffekt solcher geförderter Siedlungen war schon seit Jahrzehnten eine stärkere Bindung an den Dienstherrn und mitunter die Möglichkeit, die Löhne zu drücken. René von Schöfer plante 1936 in Wassenberg die Gesamtanlage der Siedlung und einige Typenhäuser, wurde aber im Frühjahr 1937 wegen Terminüberschreitungen entlassen, kurz nachdem das Reichsheimstättenamt sich intern umstrukturiert hatte und externe Planungsaufgaben wieder mehr an sich zog. Die Planungsprozesse und angewandten Instrumente im Wiederaufbau bilden den Arbeitsschwerpunkt im dritten Jahr des Promotionsprojekts.Städtebau und Architekturlehre in Aachen unter René von Schöfer