Stipendien Forschungsziel der Dissertation ist die Prozessanalyse der Spezifika, Genesen, Modifikationen und Verstetigungen differenter Projektentwicklungsideen unter dem Einfluss beteiligter Akteure. Die IBA Emscher Park GmbH, die als Strukturförderprogramm des Landes NRW in den 1990er Jahren einen offenen Planungsprozess für die Revitalisierung der Emscherregion anstieß, dient als Forschungsgegenstand. Ziel ist es, zu verdeutlichen, wie, durch wen und wann es zu den Ideen, die heute der IBA zugeordnet werden, kam. Darüber hinaus wird untersucht, welchen Einfluss der Prozess selbst auf den Charakter einer Idee respektive die Umsetzung dieser Idee hat. Drei Ideenlinien charakterisierten die Bauausstellung im Ruhrgebiet. Der erste „Weg der Idee“ war die strategische Konstituierung der durchführenden Instanz „IBA Emscher Park GmbH“ als 100%ige Tochter des Landes. In diesem Zusammenhang wurde u. a. direkter Einfluss auf die Abgrenzung des Planungsraumes, die Ablauforganisation sowie die Strategien zur Auswahl und Realisierung der Projekte genommen. Die zweite Ideenlinie betraf das theoretische Konzept der Gesellschaft, d. h. die Leitprojekte, die die thematische Breite der Bauausstellung festlegten und somit massiven Einfluss auf die möglichen zu realisierenden Projekte nahmen. Die dritte Ideenlinie wurde durch die etwa 120 Einzelprojekte der IBA geprägt, die im Rahmen der zehnjährigen Laufzeit zur Impulssetzung und Visualisierung der eigentlichen Idee(n) realisiert worden waren. Die drei Forschungsfelder der Doktorarbeit entsprechen diesen Ideenlinien, die durch individuelle Anfangs- und Endpunkte gekennzeichnet waren und zeitlich lediglich partiell parallel verliefen. Zeichnete man den „Weg der Idee“ der IBA Emscher Park GmbH, d. h. des ersten Forschungsfeldes nach, so galt es zunächst die Prozessspezifika zu erforschen. Wesentlich für die Analyse war eine Theorie des Bauingenieurs Prof. Dr. Claus Jürgen Diederichs, der sich mit der Kombination der Faktoren „Standort, Projektidee, Kapital und Zeit“ im Zusammenhang mit etwaigen Projektentwicklungen beschäftigte. Der Faktor „Standort“ war eine nicht zu unterschätzende und einschränkende Größe in Bezug auf die Findung einer Idee. Die räumliche Eingrenzung beeinflusste in erheblichem Maße die zentrale IBA-Idee und die mögliche Auswahl eingesendeter Ideen. Die Projekte sollten konkret im Planungsraum der Bauausstellung liegen. Gute Projektideen, die außerhalb des vorgegebenen Areals verortet waren und dennoch in das Leitprojektkonzept der IBA hätten implementiert werden können, wurden bereits im Bewertungsverfahren aussortiert. Lt. Expertengesprächen handelte es sich hierbei um einige durchaus qualitätvolle Ideen. Dies ist ein Beispiel dafür, wie durch die räumliche Begrenzung Einfluss auf das gesamte Projektportfolio der IBA und somit auch auf die Gesamtidee genommen wurde. Dass es sich um eine schwierige Aufgabe handeln würde, wurde insbesondere dadurch deutlich, dass die strukturelle Problematik im Ruhrgebiet bisher nicht bewältigbar zu sein schien und etwaige Versuche im Vorfeld zur Restrukturierung scheiterten. Dies ermöglichte andererseits eine besondere Freiheit bei der Suche nach einer Lösung oder Idee. Lt. Expertenaussagen waren die beteiligten Akteure zu diesem Zeitpunkt durchaus kompromissbereit. Eine unkonventionelle Idee für diesen Standort wurde ministeriell, d. h. politisch, gefordert, gewollt und unterstützt. Durch das Kapital aus nicht benötigten Strukturfördermitteln des Landes NRW mussten keine zusätzlichen Gelder im Haushalt des Landes beantragt und/oder jährlich genehmigt werden. Dadurch fiel die Entscheidung, eine IBA in diesem Rahmen durchzuführen, relativ leicht. Nach Rücksprache mit ministeriellen Akteuren ist davon auszugehen, dass die IBA ohne diese Mittel nicht oder zumindest nicht in diesem Umfang stattgefunden hätte. Die Umwidmung der vorhandenen Gelder verhinderte eine existentielle Diskussion und beeinflusste somit die IBA-Idee indirekt positiv. Die Finanzierungsund Förderkonstellationen nahmen erheblichen Einfluss auf die Auswahl der Projekte der IBA und die Gesamtidee. Projekte, die inhaltlich als nicht förderfähig galten, konnten nicht in das Portfolio aufgenommen werden. Ebenso konnten Vorschläge, bei denen die Bereitstellung des kommunalen Eigenanteils für die Förderung nicht sichergestellt war, nicht weiter verfolgt werden. Laut Expertengesprächen war die Einflussnahme durch die Gesellschaft IBA aufgrund der viel zitierten „goldenen Zügel“ relativ einfach und in großem Umfang möglich. Durch die Sorge, dass ein Projekt die prioritäre Förderung nicht erhalten und dadurch scheitern könnte, ließen die Projektinitiatoren einen größeren inhaltlichen Einfluss auf Projektinhalte zu, als dies unter „normalen“ Bedingungen der Fall gewesen wäre. Die Befristung auf zunächst fünf Jahre resultierte aus der finanziellen Situation. Nach Rücksprache mit beteiligten Akteuren war jedoch von Anbeginn deutlich, dass dieser Zeitraum verlängert werden würde. Der Faktor „Zeit“ beeinflusste ebenfalls indirekt die IBA-Idee, da davon auszugehen war, dass es sich um eine temporäre Befristung mit allen Vor- und Nachteilen handeln würde. Die Realisierbarkeit der Projekte musste im Rahmen der Laufzeit (weitestgehend) gewährleistet werden. Darüber hinaus sollten Projekte z. B. für die Zwischenpräsentation 1994 fertig gestellt werden können. Lt. Expertengesprächen wurden einige qualitätvolle Ideen nicht aufgenommen, da sie in der Kürze der Zeit nicht hätten bewältigt werden können. Dies ist ein Beispiel dafür, wie Einfluss auf das Projektportfolio und somit auf die Gesamtidee genommen wurde. Der Einfluss auf die IBA-Idee durch die drei verbleibenden Faktoren einer Projektentwicklung im weiteren Sinne (Standort, Kapital, Zeit) ist daher als außerordentlich groß zu beurteilen und übersteigt die zunächst angenommene Einschätzung. Die Konstituierung der Gesellschaft mit den konkreten Handlungsabläufen und Instrumenten hat in erheblichem Umfang zu dem Gesamtbild der IBA beigetragen. Dies ist ein Beispiel dafür, wie durch die Struktur Einfluss auf das gesamte Portfolio und somit auch auf die Gesamtidee genommen wurde. Ein wesentliches strategisches Instrument der IBA waren die konzipierten Leitprojekte des ersten Memorandums, die die inhaltliche Breite sowie den interdisziplinären Ansatz der Bauausstellung repräsentieren sollten. Im Rahmen der zweiten Forschungsebene verkörperten die Leitprojekte die übergeordneten „Ideen“. Zwingend notwendig war es, dass die Leitprojekte und ihre zugehörigen Einzelprojekte im Bereich der Emscherregion realisiert werden mussten. Aus diesem Grund kann der Standort „Emscherregion“ als räumlich begrenzender Einfluss für die Leitprojekte der IBA, gewertet werden. Aufgrund der Tatsache jedoch, dass es Ende der 1980er Jahren unzählige Brachflächen und stillgelegte Industriegebäude in diesem Bereich des Ruhrgebietes gab, ist der begrenzende Charakter eher relativ. Es wäre nicht möglich und auch nicht gewollt gewesen, im Rahmen der IBA alle Areale zu restrukturieren. Die Intention der Gesellschaft war der punktuelle, impulsgebende Einfluss durch Einzelprojekte. Da die IBA aus der Vielzahl an Flächen auswählen konnte, ist die räumliche Begrenzung für die Leitprojektidee nicht entscheidend. Der Standort „Emscherregion“ nahm dennoch erheblichen Einfluss auf die Inhalte der Leitprojekte, da diese die inhaltlichen Bedarfe der Region und somit der Einzelstandorte berücksichtigten. Sämtliche Leitprojekte spiegelten die zu behebenden Defizite der strukturgeschwächten Region wider. Insbesondere aber die Arbeitsfelder „Emscher Landschaftspark“ und „Ökologischer Umbau des Emschersystems“ waren individuell auf das Ruhrgebiet bzw. die Emscherregion zugeschnitten. Die landschaftsräumliche Verbindung aller Grünflächen und Restflächen der Industrien in der polyzentrischen Struktur war ebenso einzigartig wie die notwendige Renaturierung der „Abwasserkloake Emscher“, die aufgrund der Industrien des Ruhrgebietes in einem desolaten Zustand vorgefunden wurde. „Industriekultur und Tourismus“ war sicherlich ein sehr typisches Leitprojekt für den Standort Emscherregion. In keiner anderen Region war diese Dichte der Industrieflächen und -gebäude vorzufinden. Der Standort nahm somit großen inhaltlichen Einfluss respektive forcierte das Leitprojekt. Die verbleibenden Arbeitsfelder („Arbeiten im Park“, „Städtebauliche und soziale Impulse für die Stadtteilentwicklung“, „Wohnen in der Siedlung“ und „Kunst“) hätten in ähnlicher Konzeption auch in anderen Landesteilen entwickelt werden können. Sie bildeten kein Alleinstellungsmerkmal und wurden daher nicht gesondert hervorgehoben. Festzuhalten bleibt jedoch, dass diese Leitprojekte auf die Bedarfe des Standortes reagierten und die Initiatoren der IBA somit davon ausgehen konnten, dass es Projekte geben würde, die im Rahmen dieser Leitprojekte entwickelt werden würden. Für die Umsetzung der Leitprojektidee musste kein eigenes Kapital zur Verfügung gestellt werden. Es handelte sich um eine Fortführung der Idee IBA, deren Finanzierung zunächst durch die Strukturfördergelder gesichert war. Es bleibt auch unter Berücksichtigung der Expertengespräche festzuhalten, dass das „Kapital“ aus diesen Gründen keinen Einfluss auf die Findung der Leitprojektideen genommen hat. Auch durch den Faktor „Zeit“ wurde kein Einfluss genommen. Im Rahmen der Konzeption der Bauausstellung wurde lediglich berücksichtigt, dass es ein festes Zeitfenster geben sollte, innerhalb dessen es Einzelprojekte für die jeweiligen Leitprojekte zu entwickeln und zu realisieren galt. Zusammenfassend ist der Einfluss auf die (Leit-)Projektideen durch den „Standort“ als sehr groß zu bewerten, durch die Faktoren „Kapital“ und „Zeit“ hingegen als nicht gegeben. Dies ist ein wesentlicher Unterschied zu der Analyse des ersten Forschungsfeldes, bei dem „Kapital“ und „Zeit“ durchaus einflussnehmend waren. Analog zu den dargestellten Auseinandersetzungen mit der Projektentwicklungstheorie nach Diederichs wurden die Verhältnisse zwischen Standort, Idee, Kapital und Zeit auch im dritten Forschungsfeld im Zusammenhang mit konkreten Projekten betrachtet. Darüber hinaus gibt es weitere Theorien des Baumanagements, welche im Rahmen der ersten Kapitelreihe „Prozessspezifika“ auf die Bauausstellung, ihre Leitprojekte und Projekte angewendet wurden. 31.05.2012 – Sabine Marion BurggräfDer Weg der Idee II