FÖRDERPREIS Die beiden RWTH-Absolventinnen Katja Gadziak und Eva Krings wurden im Jahr 2023 mit dem Förderpreis der Stiftung Deutscher Architekten ausgezeichnet. Ihre Arbeit befasste sich mit der Transformation der Zeilenbausiedlung in Eisenhüttenstadt. Im Interview erzählen sie von ihrem Entwurf, ihrer Zusammenarbeit und ihren beruflichen Zielen. Frage: In Ihrer Arbeit befassen Sie sich mit dem Thema der Schrumpfung am Beispiel des ehemaligen Prestigestandortes der DDR, Eisenhüttenstadt. Warum diese Themenwahl? Eva Krings: Eisenhüttenstadt wurde vor rund 70 Jahren als ‚erste sozialistische Stadt Deutschlands‘ gegründet und war nicht nur ein Prestigeobjekt der DDR, sondern ebenfalls ein bedeutender Industriestandort. Heute ist die Stadt von Leer-stand und Perspektivlosigkeit geprägt. Die Bevölkerungszahl ging von 53 000 Einwohner*innen auf 25 000 zurück. Durch den dramatischen Wandel musste sich Eisenhüttenstadt in der Vergangenheit immer wieder neu erfinden. Diese ständige Transformation hat unser Interesse geweckt – wie kann die Zukunft einer scheinbar abgeschriebenen Stadt aussehen? In vorherigen Studienprojekten haben wir uns oftmals mit Räumen auseinandergesetzt, die eine weitere Nachverdichtung verlangen. Auch wenn die Problematik der Schrumpfung Mitte der 2010er im Fachdiskurs deutlich präsenter war, als sie es heute ist, existiert dieses Phänomen nach wie vor. Bei vorherrschender Wohnungsnot in städtischen Räumen scheint der immense Leerstand in einigen ländlichen Räumen paradox. Dieser Problemstellung wollten wir nachgehen, sie verstehen und uns der neuen Herausforderung stellen. Die Arbeit hat das Ziel, die Treibkraft und Einzigartigkeit Eisenhüttenstadts herauszustellen und in eine räumliche Strategie zu übertragen. Örtliche Ressourcen bieten das Potenzial, die Krise als Chance zu verstehen – nur so gelingt. Ohne Ende Anfang. Konnten Sie bei Ihrer Analyse auch Ableitungen für andere Standorte mit ähnlicher Problematik erkennen? Katja Gadziak: Die Zielsetzungen und allgemeinen Handlungsfelder des regionalen und gesamtstädtischen Konzepts sind im Grundsatz sicherlich übertragbar auf andere schrumpfende Städte, wenn auch der Ortsbezug in den Lösungsansätzen von hoher Bedeutung ist. In einem Punkt ähneln die Städte sich meistens – ihnen fehlt es an wirtschaftlicher Treibkraft, guter Anbindung oder Attraktivität. Neue Impulse auf unterschiedlichen Maßstabsebenen sind zu setzen, um einen tatsächlichen Fortschritt zu erzielen. Bezogen auf Zeilenbausiedlungen im Allgemeinen könnten ebenfalls einige räumliche und strategische Maßnahmen übertragen werden. Hier wurden Themen wie die Umstrukturierung der Infrastrukturen im Quartier oder der Umbau einzelner Plattenbauten fokussiert. So erhalten die betroffenen Siedlungen nicht nur ein neues Gesicht, sondern werden auch in ihrer Funktionalität und Attraktivität gestärkt. Der räumlich konkrete Ansatz der Abschlussarbeit leitet sich jedoch aus der Einzigartigkeit der Stadtstruktur Eisenhüttenstadts ab. Die beeindruckende Geschichte des Ortes brachte unterschiedliche Stadtraumtypen hervor, welche im räumlich konkreten Entwurf wieder aufgegriffen werden. Während sich in Eisenhüttenstadt die entworfene Typologie des Hütten-Blocks sehr natürlich in seine bauliche Umgebung einfügt, würde diese Struktur in anderen Zeilenbausiedlungen fehl am Platz wirken. Aus diesem Grund ist eine Verallgemeinerung der Problematik mit Vorsicht zu betrachten, da viele Städte ähnlich und doch so unterschiedlich sind. Die Jury hat bei Ihnen beiden in der städtebaulichen Analyse, sozialräumlichen Kenntnis, Behutsamkeit und im fachlichen Geschick, das vorhandene Stadtgefüge fortzuentwickeln, ein besonderes Talent erkannt. Waren Sie sich immer einig in der Bearbeitung des Themas? Katja Gadziak: Vor, während und nach der Bearbeitung haben wir selbstverständlich viel über die Ziele und Lösungsansätze der Arbeit diskutiert. Da wir aber eine ähnliche Ausbildung an der RWTH Aachen erfahren haben und bereits seit Beginn unseres Masterstudiums einige Studienprojekte gemeinsam bearbeitet hatten, sind wir – nach einem engen Aus-tausch – oft auf denselben Nenner gekommen. Wir haben den Diskurs untereinander sehr geschätzt, und die intensive Zusammenarbeit hat die Arbeit inhaltlich bereichert. Unsere persönlichen Stärken konnten wir einbringen sowie gegenseitig ergänzen – nur der ständige Austausch ermöglichte uns eine derart tiefe Durchdringung des Themas. Welche Pläne haben Sie für Ihren weiteren beruflichen Werdegang? Möchten Sie im Bereich der Stadtplanung weiterarbeiten, oder sehen Sie Ihre Zukunft in einem anderen Bereich? Eva Krings: Für uns stand früh fest, dass wir unsere berufliche Zukunft im Bereich der Stadtplanung sehen. Wir beide beginnen im April mit dem städtebaulichen Referendariat – Katja in der Bezirksregierung Münster und ich in der Bezirksregierung Köln. Auch durch „Ohne Ende Anfang“ und den Austausch mit den Akteur*innen in Eisenhüttenstadt ist es uns ein Anliegen geworden, die Prozesse auf städtischer Seite besser zu durchdringen. Wir verstehen das Referendariat als große Chance, unseren fachlichen Horizont zu erweitern und einen ressortübergreifenden Einblick zu erhalten. Dem-entsprechend freuen wir uns auf zwei spannende, lehrreiche Jahre! Interview: Vera Anton-LappeneitInterview: „Ohne Ende Anfang“