Förderpreis Die Stiftung Deutscher Architekten verlieh im April dieses Jahres in Düsseldorf die Förderpreise 2010 an Absolventinnen und Absolventen der NRW-Architekturstudiengänge. Die unabhängige Jury unter Vorsitz von Prof. Peter Zlonicky vergab drei Förderpreise an besonders talentierte Nachwuchs-Architekten – u. a. an Simon Kettel und Philipp Schneider. Herr Kettel, Herr Schneider, Sie sind von der „Stiftung Deutscher Architekten“ mit dem Förderpreis 2010 ausgezeichnet worden. In der von Ihnen gemeinsam eingereichten Arbeit beschäftigen Sie sich mit dem Thema Müll und Energie. Wie kam es zu dieser nicht ganz alltäglichen Aufgabenstellung? Herr Schneider, Sie haben darüber hinaus ein Buch über das Werk des etwas in Vergessenheit geratenen Rudolf Steinbach eingereicht. Auch hier wieder eine ungewöhnliche, fast archivarische Arbeit für einen Architekten. Was hat Sie an Rudolf Steinbach gereizt? Herr Kettel, Ihrer Vita war zu entnehmen, dass Sie an einem Selbstbauprojekt eines Kindergartens in Südafrika mitgearbeitet haben. Wie wird dort mit dem Thema Architektur/Baukultur umgegangen? Haben Sie Vorbilder in der Architektur? Die Hochschulausbildung ist zurzeit starken Veränderungen unterzogen. Wie beurteilen Sie die kurzen und stark gestrafften Bachelorstudiengänge? Wie ist bei Ihnen der Wunsch, Architektur zu studieren, entstanden? Gibt es gemeinsame berufliche Ziele? Wie sehen Sie diesbezüglich Ihre Zukunft? Dipl.-Ing. Simon Kettel (*1982); 2004 – 2010 Architekturstudium an der RWTH Aachen und der TU Wien, nach dem Diplom freie Mitarbeit Gewinner Architekten/Ingenieure, Oldenburg, Ab 09/2010 Arbeitsgemeinschaft ADDITIV mit Philipp Schneider, Franziska Kramer und Jens Johannisson; seit 01/2011 wissenschaftlicher Mitarbeiter an der TU München am Institut für Entwerfen Stadt und Landschaft, Lehrstuhl sustainable urbanism.Förderpreis 2010: Ungewöhnliche Aufgabe mit Überraschung
Prof. Anne-Julchen Bernhardt hat das Diplom in einer sich in Zukunft fortsetzenden Reihe von Themen, die sich mit Infrastruktur beschäftigen, herausgegeben. Infrastrukturen spielen in der Ausbildung von Architekten kaum eine Rolle, obwohl sie die Welt so stark prägen und Milliarden für Infrastrukturbauten ausgegeben werden. In der Regel verantworten heute einzig Fachspezialisten Planung und Realisierung, obwohl dies einmal ein Arbeitsfeld von Architekten war, und zwar zu Recht! Man denke z.B. an die Zeche Zollverein von Schupp und Kremmer. Letztendlich geht es auch um die Frage der Akzeptanz, die in diesen Tagen aktuelle Brisanz erfährt.
Durch Um- und Erweiterungsbauten hat Steinbach die Aachener Architekturfakultät baulich geprägt und als Lehrer eine Generation von Architekten stark beeinflusst. Dennoch ist über sein Werk wenig bekannt. Der Fund von bisher nicht bekannten originalen Bauplänen gab Anlass, über das Verhältnis der Fakultät zu Nachlässen nachzudenken. Der Umgang mit dem Bestand, insbesondere die Auseinandersetzung mit Bauten der Wiederaufbau- und Boomjahre, interessiert mich. Unter dem Eindruck der Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges verfasste Steinbach eine Reihe von Beiträgen zur Frage des Wiederaufbaus: Konservierung, interpretierender Umgang, Neubau oder gar Rekonstruktion?
Überall sind auch räumlich noch die Auswirkungen der Apartheid-Zeit spür- und lesbar. In den Townships, in denen immer noch ein Großteil der farbigen Bevölkerung unter teils prekären Umständen lebt, geht es sicherlich weniger um „Architektur“ als um die Erfüllung der nötigsten Grundbedürfnisse. Was es für Architekten bedeuten kann, in diesem Kontext zu arbeiten, kann man – glaube ich – am ehesten an einem Beispiel verdeutlichen: Das Projekt ‚Sans Souci Cinema‘ des südafrikanischen Büros 26’10 South Architects, dieses Jahr im Rahmen des Bauwelt-Wettbewerbs „Das erste Haus“ mit einem Sonderpreis ausgezeichnet (www.2610south.co.za). Wer sich dies mal anschaut, wird verstehen, was die relevanten Themen in diesem Land sind.
Eher Referenzen, die wir unseren Projekten gegenüberstellen. Die Annahme, Bauwerke können als „sozialer Katalysator“ wirken, interessiert uns an Koolhaas. Das Collagen-artige der Projekte, die verschiedenen Ästhetiken und Funktionen, die sich darin verbinden oder aufeinanderprallen, finden wir hochspannend. Und nicht zuletzt die Arbeitsweise des interdisziplinären Think-Tanks OMA/ AMO. Ansonsten versuchen wir eigentlich, erst einmal immer im jeweiligen Kontext einer Aufgabe ein Vorbild zu sehen, also genau hinzuschauen, bevor man anfängt.
Die Betrachtung der Umstellung hat wiederum viel mit unserer Arbeitsweise zu tun, die es in unseren Augen immer weniger erlaubt, sich erst einmal Fragen bzw. auch Aufgaben in Frage zu stellen, bevor man Antworten gibt. Dass es gesamtgesellschaftlich immer weniger erwünscht scheint, Fragen zu stellen, und dass diese Tendenzen insbesondere auch bildungspolitische Entscheidungen betreffen, halten wir für fatal! Wir sind während unserer Studienzeit immer mit Lehrern in Kontakt gekommen, die eine kritische Wahrnehmung gefordert und gefördert haben.
SK: Ich bin nach zwei Semestern Raumplanung zur Architektur gekommen; eigentlich aus dem Grund, dass es vielleicht mit beiden Abschlüssen möglich gewesen wäre, in ähnlichen Kontexten zu arbeiten – aber letztendlich hat mich dann mehr gereizt, vom räumlichen Detail aus in einem großen Maßstab zu landen als umgekehrt.
PS: Der Wunsch war bei mir sehr früh da. Lehrer wäre ich auch gerne geworden.
Die Zusammenarbeit, die sich während unseres Studiums entwickelt hat, setzen wir mit zwei Freunden fort. Wir haben beide einen alternativen Berufseinstieg gesucht, vielleicht auch aus dem Grund, vorerst nicht in den Alltag eines Architekturbüros und seiner Zwänge zu kommen. Dies gibt uns aber erst die Chance, neben unseren Anstellungen eigene Projekte zu bearbeiten und über mögliche (andere?) Aufgabenfelder als Architekten nachzudenken.Zu den Preisträgern:
Dipl.-Ing. Philipp Schneider (*1982); 2003 – 2010 Architekturstudium an der RWTH Aachen, seit 09/2010 Arbeitsgemeinschaft ADDITIV; Mitarbeit bei ARCH+, Zeitschrift für Architektur und Städtebau.